10.12.2024 -
Der Stier im Zentrum
Der Stier ist in der Mutterkuhhaltung eine zentrale Figur. Ohne ihn gibt es keine Kälber und damit auch kein Natura-Beef und kein Natura-Veal. Doch noch wichtiger als für die Fleischproduktion ist natürlich die Auswahl eines Stieres für die Zucht. Jeder Zuchtstier, der am Fleischrinder-Stierenmarkt angeboten wird, hat seine Geschichte. Wie diese aussehen kann, erzählen wir in der Rubrik «Beefwissen». Was es braucht, um Stierzüchter zu werden, verrät uns Franz Burri im «Beefgeflüster».
Warum stellen wir den Stier überhaupt ins Zentrum? Na, weil im Januar eine Feier zum 100sten Fleischrinder-Stierenmarkt stattfindet. Dieser fand übrigens in seinen Anfängen tatsächlich im Zentrum statt, nämlich im Zentrum von Brugg/Windisch. Mehr dazu erfahren Sie in der Rubrik «Kuhleben». Die Vielfalt an Rassen ist gross. Ob ein Stier der Lowline Cattle am Stierenmarkt zu sehen sein wird, ist noch nicht klar. Aber wir stellen Ihnen diese Rasse trotzdem schon einmal vor.
Passend zum Stierenmarkt und zu Weihnachten verraten wir Ihnen in der Kinderecke ein leckeres Guetzli-Rezept. Und natürlich darf auch ein Rezept für ein Festtagsmenu nicht fehlen.
Der ganze Newsletter präsentiert sich im neuen Design. Schauen Sie rein - hier oder an einem unserer Events im nächsten Jahr!
Beefgeflüster mit Franz Burri, Stierzüchter, Dagmersellen (LU)
«Wenn alles rund läuft, steht am Jubiläums-Stierenmarkt im Januar unser 200ster Zuchtstier im Ring.»
Elia, Anita und Franz Burri bewirtschaften den Hof gemeinsam (v.l.n.r.). (Foto: zVg)
Franz, du präsentierst und verkaufst seit vielen Jahren Stiere an den Stierenmärkten für Fleischrinderrassen. Wie bist du dazu gekommen?
Ich denke, meine Frau und ich haben das «Züchtergen» oder die Leidenschaft für die Tierzucht mit in die Wiege bekommen. Wir sind beide auf Milchviehzuchtbetrieben gross geworden und auch meine Ausbildung habe ich auf Zuchtbetrieben gemacht. Als wir dann unseren heutigen Betrieb im Jahr 1990 erwerben konnten, gehörte zu diesem nur ein sehr kleines Milchkontingent. So haben wir auf Mutterkuhhaltung anstatt auf Milchvieh gesetzt. Zuerst haben wir einfach nur Natura-Beef produziert und Freude an der Zucht und Selektion schöner Kühe gehabt. Dann haben mich ab und zu andere Mutterkuhhaltende aus der Region gebeten, für sie einen Stier aufzuziehen, das Tier also nicht zu kastrieren. So hat dies begonnen.
Ihr setzt auf die Rasse Limousin, warum? Wie seid ihr zu dieser Rasse gekommen?
Angefangen haben wir in den 90er Jahren wie die meisten mit Angus. Doch dann durfte ich mehrmals mit dem Begründer der Limousin-Zucht in der Schweiz, mit Jean-Paul Oppliger, nach Frankreich reisen. Dort habe ich die Limousin in ihrem Herkunftsgebiet erlebt und mich einfach in diese Rasse verliebt. Das Gebiet ist ähnlich wie bei uns, die mittelrahmigen Tiere suchen sich ihr Futter auf der Weide – auch an steilen Hängen – und liefern wunderbares Fleisch.
Im Dezember 2004 durften Franz und Elia einen Champion präsentieren. (Foto: Anita Burri)
Wann habt ihr den ersten Stier an einem Stierenmarkt verkauft?
Das war 1998. Damals haben wir gleich zwei Stiere in der Markthalle in Brugg-Windisch verkauft. Sie hiessen Jepson und Simba. Fasziniert haben mich die Stierenmärkte aber schon vorher. Mit einem meiner ersten Arbeitgeber (Ruedi Schneider), einem der Mutterkuh-Pioniere, durfte ich bereits 1987 einen Stierenmarkt besuchen.
Dann hast du eigentlich die gesamte Geschichte der Stierenmärkte selbst miterlebt?
Ja, das kann man so sagen. Bis im Frühling 2003 fanden die Stierenmärkte im Zentrum von Brugg-Windisch statt, im September 2003 wurde dann der erste Stierenmarkt in der Vianco Arena in Brunegg durchgeführt. Unser Stier Desperado war damals der allererste Stier, der in der Arena im Ring verkauft wurde. Er wurde Champion und von Swissgenetics gekauft. Das war natürlich ein Highlight für uns.
Und jetzt, im Januar 2025 zum Jubiläum des 100sten Stierenmarktes, werden da auch Stiere von euch zu sehen sein?
Ja, wenn alles gut läuft, steht am Jubiläums-Stierenmarkt unser 200ster Zuchtstier am Fleischrinderstierenmarkt im Ring. Das wäre dann gerade auch ein Jubiläum und Meilenstein für unsere Familie.
Was muss man beachten, wenn man Stiere züchten will?
Vor allem braucht es Platz und ein gutes Herdenmanagement. Wir halten aktuell unsere rund 150 Tiere in sechs bis sieben Gruppen. Man muss genau überlegen, welche Tiere man mit welchen zusammen hält. Es muss geplant werden, ob eine Rindergruppe von einem Stier im Natursprung gedeckt werden soll oder welche Kühe man gezielt mit Samen von herdenfremden Stieren aus dem In- und Ausland besamen möchte.
Welches sind eure Zuchtziele?
Wir möchten Stiere züchten, die auf dem Markt gefragt sind. In der genetischen Hornlosigkeit liegt meiner Meinung nach die Zukunft, da hornlose Tiere in der Laufstall- und Weidehaltung ein deutlich tieferes Unfallrisiko mitbringen. Gleichzeitig darf man Eigenschaften wie leichte Abkalbungen und die Milchleistung nicht vernachlässigen – was sich zum Teil leider widerspricht. Bei unseren ersten natürlich hornlosen Tieren gab es leider zum Teil Schwierigkeiten beim Abkalben. Dann ist es uns natürlich wichtig, eine breite genetische Vielfalt zu haben. Und den Charakter darf man auch nicht vergessen. Das ist ein Kriterium, für welches beispielsweise in Frankreich ein Zuchtwert ausgewiesen wird und das sehr wertvoll ist bei der Stierenauswahl.
Gibt es einen Stier, auf welchen ihr besonders stolz seid?
Auf Burri’s Palermo. Von den rund 100 Stieren aus unserer Zucht, welche über die vielen Jahre verkauft werden konnten, war Palermo für uns der speziellste.
Warum?
Palermo wurde als Jungstier Champion am Stierenmarkt und von einem Züchter in der Romandie gekauft. Auf dem Betrieb dort hat er rund 100 Kälber gezeugt. Die Frau des Züchters soll gesagt haben: «Wenn du Palermo verkaufst, dann gehe ich auch.» So gerne mochte die Familie den Stier. Der Züchter hat dann eine gute Lösung gefunden, damit seine Frau ihn nicht verlässt und er trotzdem den nötigen Stierenwechsel vollziehen konnte. Er hat Palermo an seinen Nachbarn verkauft. Dort durfte Palermo erneut rund 100 Kälber zeugen. Nach rund zehn Jahren haben wir Palermo zurückgekauft, kurz auf unserem Betrieb im Natursprung eingesetzt und ihn dann erfolgreich an einen Natura-Beef-Produzenten in unserer Nähe vermittelt. Letztes Jahr hat Palermo den Gold-Award von Mutterkuh Schweiz erhalten. Das ist die höchste Auszeichnung für einen Fleischrassenstier.
Ihre Limousin-Stiere haben Familie Burri schon manche Auszeichnung eingebracht. Besonders stolz sind sie auf Palermo, Champion am Stierenmarkt im September 2014. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Da könnt ihr wirklich stolz sein! Was sind deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren, die euch geholfen haben, so gute Stiere wie Palermo zu züchten?
Ausschlaggebend ist wohl die Freude am Umgang mit den Tieren und das Herzblut, die Leidenschaft für die Zucht. Meine Frau und ich leben dies und auch unsere drei Kinder waren von klein auf zuvorderst mit dabei. Zeit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. So ging es mit der Stierenzucht bei uns eigentlich erst so richtig los, als unser Sohn Elia mit zehn Jahren den ersten Stier im Ring präsentierte. Er hat immer sehr viel Zeit bei den Tieren verbracht, hat sie gekrault und gezähmt. Einen sehr grossen Teil der Arbeit, um die Stiere halfterführig zu machen, hat Elia übernommen. Und dann darf man das Glück nicht vergessen. Das muss man auch haben, um richtig erfolgreich zu sein.
Welche Rolle hat deine Frau gespielt in all diesen Jahren?
Sie unterstützt im Hintergrund. Und sie fotografiert und dokumentiert. Nur dank ihr wissen wir, dass im Januar der 200ste Stier von Burris im Ring stehen wird.
Ein richtiges Familienwerk. Dann wünschen wir euch viel Spass am Jubiläums-Stierenmarkt, dass eure Stiere sich gut verkaufen und ihr weiterhin solchen Erfolg habt!
Die Limousin-Zucht liegt der ganzen Familie Burri am Herzen. (Foto: zVg)
Zum Hof in Dagmersellen gehören 31 Hektaren LN und 5 Hektaren Wald.
Franz Burri bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Anita und Sohn Elia in Dagmersellen 31 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche und 5 Hektaren Wald. Rund 12% davon sind Biodiversitätsförderflächen. Ein Grossteil der Flächen befindet sich an steilen Hängen. Auf diesen wächst Gras für die Mutterkuhherde von 55 Kühen mit ihren Kälbern, rund 20 Rindern und 15 Jungstieren. Im Talboden wird Heu und Silage sowie ein etwas Mais (ca. 2.5 Hektaren) für die Fütterung im Winter produziert.
Franz Burri ist stolz auf seine schönen Zuchttiere. (Fotos: Anita Burri)
Hauptbetriebszweige sind die Zucht und der Verkauf von Lebendtieren sowie die Direktvermarktung von Natura-Beef.
Franz Burri arbeitet zusätzlich als Experte für Mutterkuh Schweiz und bildet Lehrlinge aus.
Wieder mal (R)AUS-gehen
Jubiläums-Stierenmarkt – ein Grund zum Feiern!
War jetzt der Stierenmarkt im September die 100ste Ausgabe oder doch erst derjenige vom 15./16. Januar 2025? Da traditionellerweise der Winterstierenmarkt im Januar bedeutender ist, wird das Jubiläum am 15./16. Januar 2025 so richtig gefeiert. Neben den Jungstieren, die wie am Stierenmarkt üblich zum Verkauf angeboten werden, sollen bei dieser Jubiläumsausgabe auch Altstiere präsentiert werden, um die Pracht und enorme Vielfalt der Fleischrassen zu zeigen. Mit 11 Rassen verspricht es eine exklusive Show zu werden. Natürlich ist auch für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt.
Programm und Informationen finden Sie auf www.mutterkuh.ch. Schauen Sie rein!
Kuhleben
Stiere im Zentrum
Zur damaligen Zeit waren moderne Panelsysteme nicht verbreitet. Man behalf sich mit üblichen Absperrgittern, wie sie bei Volksanlässen verwendet werden. Das Bild stammt vom Stierenmarkt 1995 welcher mit der Ausstellung von Kühen und Kälbern erweitert war (Fleischrinderwoche 1995). (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Die Markthalle, die im Zentrum von Brugg-Windisch stand, wo sich heute der Campus der FHNW befindet, war viele Jahre Schauplatz der Fleischrinder-Stierenmärkte und anderer Viehauktionen. (Foto: windisch.online)
Die ersten Stierenmärkte für Fleischrinderrassen fanden Anfang der 80er Jahre statt. Schon viel früher gab es die Zuchtstiermärke für Milchrassen, beispielsweise in Thun, Zug oder Bulle. Die Fleischrassen-Stiere kamen im wahrsten Sinne des Wortes ins Zentrum, in die Markthalle im Zentrum von Brugg-Windisch. Die Märkte entstanden aus einer Notwendigkeit heraus: Die Mutterkuhhaltenden suchten Stiere, um sie in ihren Herden einzusetzen – die Züchter wollten ihre Stiere präsentieren, beurteilen lassen und zum Teil auch verkaufen.
«Wer wen am Halfter führte, war manchmal nicht ganz klar.» Diese Aussage von Jon Paul Thom, langjähriger Stallchef an den Fleischrinder-Stierenmärkten, lässt tief blicken. Dass ab und zu ein Stier die Führung übernahm oder sogar entwischte, dürfte mehrere Gründe gehabt haben: Es gab noch wenig Erfahrung mit Stieren von Fleischrinderrassen. Der Umgang mit den Stieren, die sich frei in den Mutterkuhherden bewegten, musste erst gelernt werden. Heutzutage wird mit den Jungstieren mehr gearbeitet und geübt. Es wird von klein auf viel Wert daraufgelegt, dass die Stiere an Berührungen und Halfter gewöhnt sind (Vergleiche «Vom Stierkalb zum Zuchtstier ist es ein langer Weg»). Auch das Temperament der Stiere ist heute anders. Bei der Zucht wird dem Charakter grosse Bedeutung beigemessen, früher waren viele Stiere noch temperamentvoller und aufmüpfiger.
Auch in der Markthalle wurde der Präsentationsring mit Absperrgittern und Strohballen abgesperrt und war nur bedingt ausbruchsicher. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Auch die Infrastruktur half nur bedingt, die Tiere in die richtigen Bahnen zu lenken. Mehr als einmal büxten Tiere – meistens Rinder und nicht Stiere – aus. Legendär ist die Geschichte eines Rindes, das seinen Betreuern entwischte und einen Coiffeursalon aufsuchte. Gemäss Artikel «Rindviecher auf dem Campus» beeindruckte das Rind die anwesenden Damen nachhaltig, was diese in hoch frequentierten Meinungsäusserungen kundtaten. Wer sich wohl mehr erschrocken hat?
Auch die Infrastruktur in der Markthalle Brugg-Windisch war nur bedingt ausbruchsicher. Dies tat jedoch der Stimmung im und um den Ring keinen Abbruch. Der Fleischrinder-Stierenmarkt war immer eine äusserst wichtige Gelegenheit, um sich untereinander auszutauschen. Der Kreis der Mutterkuhhaltenden in der Schweiz war damals noch klein. Man traf sich in Brugg zum Fachsimpeln aber auch zum Feiern. Nicht nur die Tiere, die ausbüxten, waren stadtbekannt, sondern auch ihre Züchtenden sowie Besitzerinnen und Besitzer.
Gefragt nach der Bedeutung des Stierenmarktes heute meint Jon Paul Thom, dass diese ungebrochen ist. Es braucht den Fleischrinder-Stierenmarkt als Plattform für die Preisbildung und den Vergleich von Zuchtstieren und für den Austausch unter Züchtenden sowie Produzentinnen und Produzenten.
Jon Paul Thom war fast von Anfang an Stallchef an den Stierenmärkten und ist immer noch voller Begeisterung dabei. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Die Präsentation der Stiere war immer professionell. In der Vianco Arena steht heute moderne Infrastruktur zur Verfügung, die die Arbeit noch zusätzlich vereinfacht.
Seit 2003 finden die Fleischrinder-Stierenmärkte und Auktionen in der neuen Vianco-Arena in Brunegg statt. Der 2003 fertiggestellte erste Bau, fiel jedoch im Jahr 2007 einem Brand zum Opfer. Zur Überbrückung bis zum Wiederaufbau fanden die Märkte in einem eigens auf dem Areal montierten Zelt statt. Die Vianco-Arena bietet heute viel Platz zum Aufstallen des Viehs und eine praktische Infrastruktur zur Präsentation von Tieren sowie eine gute Ausstattung für Feste und Events. Jon Paul Thom ist immer noch als Stallchef dabei. Er und sein Team sind bestens eingespielt und verstehen sich sozusagen ohne Worte. Jeder Handgriff sitzt. Lesen Sie hier den Artikel über das Stallteam aus «die Mutterkuh 2/22».
Wollen Sie einen Stierenmarkt miterleben? Der Jubiläums-Stierenmarkt am 15./16. Januar 2025 ist dazu die optimale Gelegenheit!
Beefwissen
Vom Stierkalb zum Zuchtstier ist es ein langer Weg
Damit ein Zuchtstier am Stierenmarkt glänzen und einen Käufer finden kann, muss alles perfekt sein. Das ABC der Stierenzucht beginnt bei A wie Abstammung, umfasst B wie Berührungen, C wie Charakter und endet nicht zuletzt bei Z wie Zuchtwert.
Ein Stierkalb für die Zucht muss von genetisch hochwertigen Eltern abstammen. (Foto: zVg)
Ein Zuchtstier wird nicht einfach geboren. Von der Idee bis zum Verkauf des Zuchtstiers an einem Stierenmarkt vergehen über zwei Jahre. Die Arbeit beginnt nämlich schon vor der Geburt des Stieres mit der Auswahl der richtigen Kuh als Stierenmutter und dem passenden Stier als Vater.
Bei beiden Elterntieren wird darauf geachtet, dass sie gesund sind und insbesondere kräftige und robuste Beine und Klauen haben, die ein langes Leben erst möglich machen. Beim Stier ist die Abstammung äusserst wichtig, um die genetische Vielfalt möglichst gross zu halten und Inzucht zu vermeiden. Zudem müssen sich beide Tiere durch einen guten, umgänglichen Charakter auszeichnen. Daneben werden wirtschaftliche Faktoren und Leistungsparameter berücksichtigt wie beispielsweise das Geburtsgewicht der Kälber und Zuchtwerte für Fleischigkeit.
Nach der Auswahl und Paarung heisst es warten und die Kuh optimal auf die Geburt vorbereiten. Neun Monate dauert es, bis das Kalb auf der Welt ist. Die Spannung ist natürlich gross – wird es wirklich ein Stierkalb? Wenn nicht, ist es vielleicht ein vielversprechendes Kuhkalb für den eigenen Bestand. Doch das heisst auch, ein weiteres Jahr warten, bis die auserkorene Stierenmutter erneut ein Kalb zur Welt bringen kann.
Die ersten Tage und Wochen
Ist tatsächlich ein Stierkalb auf die Welt gekommen, ist die Freude gross. Aufmerksam werden Mutterkuh und Kalb beobachtet. Kann das Kalb genügend wertvolle Kolostralmilch trinken? Ist die Kuh gesund und frisst sie normal? Schon bald bekommt das Kalb seine gelben Ohrmarken, damit es eindeutig identifizierbar ist. Täglich wird der Nabel kontrolliert, denn eine Entzündung kann die Reproduktionsfähigkeit des Stieres reduzieren.
Neugierig erkundet das kleine Kalb die Welt. Zuerst trinkt es fast nur Muttermilch, dann beginnt es ein wenig Heu zu knabbern oder frisst auch schon einmal neben der Mutter ein wenig von deren Futterration. Eine gute und gleichmässige Milchleistung der Mutter ist entscheidend, damit das Kalb gedeiht. Ziel für einen zukünftigen Zuchtstier ist, dass das Kalb überdurchschnittlich an Gewicht zulegt. Dies wird mittels Wägungen erhoben.
Ganz wichtig ist auch der tägliche Kontakt mit den Bezugspersonen. Schon das Kalb soll sich an Menschen und Berührungen gewöhnen, damit es sich zu einem umgänglichen Zuchtstier entwickeln kann.
Der Jungstier lernt am Halfter zu gehen. Der Nasenring ist obligatorisch für Stiere, die am Stierenmarkt teilnehmen. Er ist jedoch nur als Notbremse gedacht. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Ein effektives Piercing
Sind Zuwachs und Entwicklung des Kalbes vielversprechend und auch die Beurteilung der Mutter fällt zur Zufriedenheit aus, kann tatsächlich auf den Stierenmarkt hingearbeitet werden. Mit ungefähr acht bis zehn Monaten wird der Jungstier von der Mutter getrennt. Diese sollte zu diesem Zeitpunkt bereits wieder im siebten Monat trächtig sein und sich vor der nächsten Geburt erholen dürfen. Der Jungstier wird, wenn möglich, in eine Gruppe gleichaltriger Artgenossen integriert.
Schon bald wird ihm unter Lokalanästhesie ein Nasenring gesetzt. Wie bei einem Piercing muss dieser in den nächsten Tagen täglich gedreht werden, damit er während des Heilungsprozesses nicht festwächst. Der tägliche Kontakt und die regelmässige Pflege sind die Basis für das Vertrauen zwischen Jungstier und Bezugsperson, die dies erst möglich machen. Die Übungen zum Gehen am Halfter sind dann nur die Fortsetzung davon. Übrigens dient der Nasenring nicht zum Führen des Stieres, sondern ist als eine Art «Notbremse» gedacht. Sollte ein Stier – der mittlerweile rund 400 Kilogramm schwer ist – ausreissen wollen, wird er mithilfe eines am Nasenring befestigten Seils gebremst. Der Schmerz in der Nasenscheidewand hält ihn zurück.
Nach Übungen am Halfter in sicherer Umgebung wird der Jungstier nach und nach mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehören Begegnungen mit Autos und Fahrrädern, Pferden, einem laufenden Radio, rauschendem Wasser unter einer Brücke oder auch einem Weg durch einen dunklen Gang. Sobald alles funktioniert, wird der Stier auch einmal in den Tiertransporter geführt und macht eine erste kleine Ausfahrt.
Der Jungstier hat gelernt, sich im Ring zu präsentieren. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Der grosse Tag
Nach 14 bis 16 Monaten kommt der grosse Tag: Der Jungstier ist bereit für den Stierenmarkt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das Tier gesund ist. Auf dem ganzen Lebensweg gibt es immer wieder Verletzungsgefahren, die eine Karriere als Zuchtstier unmöglich machen. Doch sind alle Hürden überwunden, wird der Jungstier sauber gewaschen und zum Stierenmarkt transportiert. Vor der Präsentation im Ring wird der Stier noch beurteilt und punktiert. Vielleicht gibt es sogar eine Auszeichnung? Und dann erreicht die Spannung ihren Höhepunkt: wird der Stier eine Käuferin bzw. einen Käufer finden und einen guten Preis lösen?
Für die Züchterin bzw. den Züchter ist dieser Moment die wohlverdiente Krönung monatelanger Arbeit. Gleichzeitig heisst es jedoch auch Abschied nehmen von einem Tier, zu dem man während 16 Monaten eine enge Beziehung aufgebaut hat. Alles Gute und ein schönes Leben – das wünscht sie bzw. er dem verkauften Zuchtstier – und widmet sich dann bereits den nächsten vielversprechenden Jungstieren zu Hause.
Fakten zum Fleischrinder-Stierenmarkt und zu Zuchtstieren
Die Zucht von Stieren ist eine Leidenschaft, die meist von der ganzen Familie gelebt und gepflegt wird. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Warum braucht es einen Fleischrinderstierenmarkt?
In der Mutterkuhhaltung werden rund 80% der Kühe im Natursprung belegt. Die Stierenzucht und der Stierenaustausch sind unabdingbar. Der Stierenmarkt ist eine geeignete und beliebte Kauf- und Verkaufsmöglichkeit.
Seit wann gibt es den Fleischrinderstierenmarkt?
Die Stierenmärkte für Fleischrinder bestehen seit 1980. Mutterkuh Schweiz organisierte in einer ersten Phase einen Markt pro Jahr (im Oktober). Aufgrund der gewünschten jahreszeitlichen Verteilung der Abkalbungen wurde 1992 ein zweiter Markt eingeführt (im März) und seit dem Jahr 2002 werden drei Stierenmärkte durchgeführt (Januar, April und September).
Wieviele Stiere werden im Durchschnitt an den Stierenmärkten aufgeführt?
Zusammengefasst werden pro Jahr an den drei Anlässen 170 bis 200 Stiere aufgeführt.
Welches sind die häufigsten Rassen?
Rund die Hälfte der angebotenen Stiere sind Limousin. Insgesamt entfallen über 90% auf die drei Hauptrassen Limousin, Angus und Simmental. Vereinzelt werden Stiere der Rassen Charolais, Aubrac, Grauvieh und Braunvieh oder auch anderer Rassen angeboten.
Ein Highlight an jedem Stierenmarkt: Die Präsentation und Wahl der Rassen-Champions, hier im Bild die Champions und Vizechampions vom Stierenmarkt im Januar 2024. Von links zweimal Simmental, Grauvieh, zweimal Angus und zweimal Limousin. (Foto: Mutterkuh Schweiz)
Wie alt sind die Stiere normalerweise, wenn sie am Markt angeboten werden?
Das durchschnittliche Alter der Stiere beträgt rund 15 Monate, wobei die Spannweite von 12 bis 18 Monate reicht. Die Käufer bevorzugen Stiere, die nach dem Kauf rasch eingesetzt werden können.
Warum keine älteren Stiere? Wie werden diese gehandelt?
Auf vielen Betrieben wird der Herdenstier zwei bis drei Jahre eingesetzt. Nachher ist ein Wechsel angezeigt, um Inzucht zu vermeiden. Die älteren Stiere werden von Betrieb zu Betrieb gehandelt oder durch Viehhändler vermittelt.
Was ist ein durchschnittlicher Verkaufspreis am Stierenmarkt?
Der langjährige Mittelwert des Verkaufspreises liegt zwischen 5'000 und 6'000 Franken. Für den übrigen Stierenhandel sind die Auktionspreise am Stierenmarkt für Fleischrinderrassen direkt wegleitend.
Zieht es auch Sie nach draussen an die klare Winterluft? Dann erleben Sie die Mutterkühe mit Lea und Ben doch einmal im Winter. Der Erlebnisweg in Lenzburg bietet Ihnen hierfür die Gelegenheit. Er ist das ganze Jahr und noch bis im Oktober 2025 geöffnet.
Offiziell heissen sie «Australian Lowline Cattle», in der Schweiz werden sie in der Regel nur «Lowline» genannt. «Erschaffen» wurden sie in Australien: Während 19 Jahren wurde in der Forschungsstation Trangie ein Versuch durchgeführt, um festzustellen, ob grosse oder kleine Tiere Gras effizienter in Fleisch umwandeln können. Es wurden Tiere der Rasse Angus in drei Gruppen eingeteilt: Tiere mit hoher Wachstumsrate (Highline), Tiere mit niedriger Wachstumsrate (Lowline) und zufällig ausgewählte Tiere als Kontrollgruppe. Sie wurden jeweils über Jahre separat verpaart und verglichen. Durch gezielte Zucht war die Lowline nach 15 Jahren um 30 Prozent kleiner als die Highline. Bei der Effizienz in der Futterverwertung wurde kein Unterschied festgestellt.
Die kleinen Tiere sind sehr umgänglich und unkompliziert und zeichnen sich durch ein ruhiges Temperament aus. Lowline sind wenig anspruchsvoll bezüglich Futter und eignen sich ausgezeichnet zum Beweiden von Hängen. Aufgrund ihrer geringeren Widerristhöhe benötigen sie deutlich weniger Platz.
Im Gegensatz zu anderen kleinwüchsigen Rassen haben die Lowline kein Zwergwuchs-Gen, sondern sind genetisch identisch mit Angus. Nicht nur die natürliche Hornlosigkeit und die Farbschläge schwarz und rot haben die Lowline beibehalten, auch bezüglich Fleischqualität und Ausbeute an Edelstücken stehen sie ihren «grossen Geschwistern» in nichts nach. Man lobt sogar ihre höhere Fleischausbeute, da auf kurzen Beinen eine «ganze Kuh» steht.
2016 kamen die ersten Lowline Tiere in die Schweiz. Noch sind sie wenig verbreitet und es gibt kaum Zuchttiere auf dem Schweizer Markt zu kaufen.